Rundbrief 2021 April

Liebe Freunde
 
Als im März 2020 der erste Corona Fall in Kenia bekannt wurde dachten wir nicht, dass ein Jahr später die Schlagzeilen immer noch von der Corona-Pandemie dominiert würden.  Noch ist kein Ende in Sicht… Doch ich bekam vor zwei Wochen die erste Impfung.

In Kenia gibt es seit sechs Wochen wieder strengere Auflagen. Es gibt zwischen 20 Uhr und 4 Uhr wieder eine nächtliche Ausgangssperre. Wobei die Corona-Fallzahlen aktuell im Vergleich zu Europa niedrig sind. Wir sind dankbar dafür, denn hier wäre das Gesundheitswesen bei rasch ansteigenden Fallzahlen schnell überlastet. Die Betten der Intensivabteilungen sind hier schon länger voll belegt. Die Schulen blieben letztes Jahr sieben Monate geschlossen. Im Oktober durften zwei Primarschulklassen und eine Sekundarschulklasse zurück an die Schule. Anfangs Januar durften nun alle wieder zurück in die Schulen. Unsere Kinder freuten sich nach diesem langen Unterbruch, wieder ihre Schulzimmer betreten und ihre Freunde sehen zu dürfen. Im öffentlichen Raum, dies betrifft auch die Schulen, besteht eine Maskenpflicht. Gesichtsmasken und Abstandhalten ist ein ungewohntes Konzept und die Kinder müssen immer wieder daran erinnert werden.

Neues aus Tigoni

Wenn mir Anfangs letzten Jahres jemand gesagt hätte, dass unsere Kinder monatelang daheim sein würden, hätte ich mich gewundert, wie dies wohl machbar sein würde. Das letzte Jahr war zweifellos intensiv, doch ich möchte es nicht missen. Diese Zeit wird mir als einmalig in Erinnerung bleiben. Es gab zwar ab und zu Stress, Streit, Tränen, Langeweile, ein Gefühl von gefangen sein, keine Lust auf Schularbeit, null Motivation… Auf der anderen Seite gab es oft Gelächter, stundenlanges spielen, manche Spiele wurden aus Not selber erfunden, viele Fussballmatches, ganze Nachmittage wurden Runden auf dem Velo oder den Skates gedreht, verschiedene Andachten an die wir uns alle erinnern werden, einen Talentabend, viele Gespräche, Filmabende, Kinder, die im Garten, im Wald, bei den Tieren und in der Küche mitanpackten. Wir sind auch dankbar um unsere treuen Mitarbeiter, die monatelang bei uns auf dem Gelände lebten, und tagtäglich tolle Arbeit leisteten. Meine Agenda war leer. Ich hatte keine Sitzungen in den verschiedenen Schulgremien und genoss es daheim zu sein, in der Küche oder im Garten zu helfen. Die Buchhaltung wurde in Rekordzeit auf den neusten Stand gebracht. Ich konnte einem Kind beim Lesen lernen helfen, habe viel aufgeräumt… und ich fand immer wieder Zeit selber ein Buch zu lesen, oder ein neues Kochrezept auszuprobieren.

Im August organisierten wir an einem abgelegenen Ort, nicht weit von uns entfernt, einen Ausflug. Für die meisten Kinder war es nach vier Monaten das erste Mal ausserhalb unseres Geländes. Es gab eine kurze Wanderung, Spiele, Spass und natürlich ein feines Picknick. Wir genossen den Tag in der Freiheit.

Im Juli wurden wir von der Kinderbehörde gebeten, eines unserer Mädchen in eine Pflegefamilie zu geben. Wir bereiteten das Kind vor, waren beim ersten Kontaktknüpfen dabei und ermöglichten weitere Treffen. Das Mädchen war aufgeregt und voller Vorfreude; sie konnte es kaum erwarten zu ihrer neuen Pflegemutter zu ziehen. An einem Sonntag brachte ich und Lilian, unsere Sozialarbeiterin in Tigoni, das Mädchen in ihr neues Zuhause. Sie lebte sich gut ein, besucht eine neue Schule und es gefällt ihr dort. Natürlich hat sie schon probiert Grenzen zu testen und manchmal ruft uns die Pflegemutter an und bittet uns um Rat. In Kenia ist es anders als in der Schweiz. Eine Pflegefamilie kriegt hier keinen finanziellen Beitrag vom Staat. Sie muss alle Kosten selber tragen. Nach zwei Jahren kann die Familie einen Adoptionsantrag stellen.

Three children hugging
Jackie mit zwei der jüngsten Kinder.

Im November wurden wir von der Kinderbehörde in Nairobi angefragt ob wir weitere Kinder aufnehmen können, da ein Kinderheim wegen Misswirtschaft geschlossen werden muss und sie dringend Plätze für Kinder suchten. Wir entschieden uns, zwei 5-jährigen Mädchen, welche ausgesetzt gefunden wurden, ein neues Heim zu geben. Ende Januar, nachdem das Gericht sie uns zugesprochen hatte, kamen sie zu uns. Es dauerte nicht lange, bis sie sich, dank unserer Kinder, die sich ihrer sofort annahmen, bei uns einlebten. Nach wenigen Tagen schickten wir sie in die Vorschule. Sie hatten einen etwas holprigen Start, denn sie konnten weder bis auf Fünf zählen, das ABC aufsagen, noch Farben benennen oder einen Stift in der Hand halten. Dies sind üblicherweise alles Voraussetzungen um mit der Vorschule beginnen zu können. Zurzeit sind Schulferien und eine Lehrerin hilft ihnen jeden Morgen und sie machen Riesenfortschritte.

Während eines knappen Jahres sind wir mit unserer Kinderschar sonntags nicht mehr in Kirche gegangen. Mitte Februar wagten wir uns nun alle wieder einmal in die Kirche. Die Kinder jubelten, als wir ihnen mitteilten, dass wir nun wieder zur Kirche gehen können. Nach so einem langen Unterbruch, hielten wir es für eine gute Idee, eine Kirche in der nahen Umgebung zu finden. Nach 20 Jahren in der gleichen Kirche in Nairobi, gehen wir nun im Nachbarsdorf zur Kirche. Wir wurden herzlich empfangen und fühlen uns wohl dort. Sonntags können wir nun ausschlafen, da wir nicht mehr um sieben Uhr losfahren müssen, um rechtzeitig in der Kirche zu sein. In der neuen Kirche fängt der Gottesdienst und die Sonntagschule erst um 11h an und die Fahrt zur Kirche dauert nur zehn Minuten. Vor gut einem Monat wurden die Kirchen coronabedingt wieder geschlossen. Drei Sonntagsschullehrer/innen kommen nun sonntags zu uns heim und halten die Sonntagschule bei uns.

Mehrere Kinder unserer Maisha Mema Familie haben letztes Jahr Verwandte verloren. Für uns immer eine schwierige und traurige Aufgabe, dies den Kindern mitzuteilen. Zwei Geschwister verloren ihre Mutter, doch wir konnten wegen den strengen Auflagen des Staates mit den Kindern nicht einmal zur Beerdigung. Drei Schwestern verloren zuerst ihre Mutter an den Folgen von Aids und dann gegen Ende Jahr noch ihren jüngeren Bruder. Leah (unsere Hausmutter) und ich begleiteten die drei Mädchen beide Male zur Beerdigung.

Aktuelles aus Soweto:

Dank vieler grosszügigen Spenden konnten wir letztes Jahr, nach dem Beginn der Corona-Pandemie, unsere Familien in Soweto alle zwei Wochen mit einem Essenspaket versorgen. Kurz vor Weihnachten verteilten wir das zwanzigste Lebensmittelpaket pro Familie. Die knapp 300 Familien waren enorm dankbar, dass sie trotz der schwierigen Lage, ihre Kinder täglich mit Mahlzeiten versorgen konnten.  Damit es beim Verteilen der Lebensmittelpakete nicht chaotisch zu und herging, hatten wir jedes Mal zwei Polizisten auf dem Gelände. Allein ihre Präsenz half, dass Abstand eingehalten wurde und die Verteilung immer problemlos klappte.

Mehrere Monate durften unsere Lehrer die Kinder nicht im Clubhouse unterrichten. Ab Juli kamen dann wieder kleinere Gruppen ins Clubhouse. Die Kinder wurden nicht nur unterrichtet, sie lernten Masken nähen, nahmen an verschiedenen Aktivitäten teil und die Mitarbeiter hatten offene Ohren für ihre Nöte.

Gegen Ende Jahr organiserten wir für interessierte Eltern mehrere Workshops. Sie lernten selber Seife herzustellen, zu backen und zu dekorieren. Andere lernten wie man einfache Snacks zum Verkauf zubereitet. Eine weitere Gruppe wurde über mehrere Monate im Schweissen geschult. Eine Anzahl Eltern wagte es, etwas Neues anzufangen. Mehrere kommen zu Florence, unserer Sozialarbeiterin, und erzählen ihr von ihren Erfolgen und bringen einen Teil ihrer Einnahmen, die wir dann für sie sparen.

Unsere Näherinnen haben die letzte zwei Monate Schulsäcke für alle Kinder der Primarschule genäht. Die Schulsäcke werden die Kinder im Juli kriegen, wenn das neue Schuljahr beginnt. Zurzeit leiten sie weitere Frauen an, die auch nähen lernen möchten. Mama Lydia, eine Mutter, die an den Folgen von Polio leidet, lernte mit der Strickmaschine zu stricken. Sie lehrt nun anderen interessierten Frauen ebenfalls das Stricken.

Ende Jahr gab es einen grösseren Mitarbeiterwechsel in Soweto. Drei Mitarbeiterinnen verliessen uns und an ihrer Stelle haben wir einen neuen Lehrer und eine Lehrerin angestellt. Wir freuen uns über ein motiviertes Team, das in dieser schwierigen Zeit tolle Arbeit leistet. Während des letzten Schulquartals blieben jeden Abend zwei Lehrer bis um 20 Uhr im Clubhouse, da die Schüler der siebten und achten Klasse abends dort ihre Schulaufgaben machten und Nachhilfe erhielten. Der Aufwand hat sich gelohnt, die Resultate der Primarabschlussprüfung, die wir vor zwei Wochen erhielten, waren besser als in den vergangenen Jahren.

Für all Eure Unterstützung liebe Freunde bedanken wir uns herzlich. Es ist nicht selbstverständlich, dass Ihr unsere Arbeit während dieser schwierigen Zeit nicht vergesst. Die Kinder, Mitarbeiter, Jonny und ich sind Euch sehr froh und dankbar dafür!

Wir wünschen Euch gute Gesundheit und Gottes Segen!

Marianne

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